Aby Warburg – Gesammelte Schriften – Studienausgabe. Edition des Bandes VI: Bücherkatalog der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg
Prof. Michael Thimann befasst sich mit der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburgs. Aby Warburg zählt zu den national und international tragenden Kunst- und Kulturwissenschaftlern des vergangenen Jahrhunderts.
Aby Warburg ist vor allem durch seine Untersuchungen zum Nachleben der Antike und durch den Aufbau der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek in Hamburg bekannt geworden. Sein Traum von einer großen Studie zur Kunst der Renaissance und einem großen Bildatlas "Mnemosyne", einer Art Synthese seiner Forschung zum Nachleben der Antike in der Renaissance, blieben Fragment, als er 1929 starb. Die Bibliothek und der umfangreiche Nachlass werden im Londoner Warburg Institute aufbewahrt.
Zwar haben Warburgs Mitarbeiter die nachgelassenen Manuskripte 1932 teilweise in den "Gesammelten Schriften" edieren können, doch blieb das auf zahlreiche Folgebände angelegte Projekt sowie die Rekonstruktion des Bibliothekskatalogs unvollendet: Die erzwungene Auslagerung des Nachlasses und der kulturwissenschaftlichen Bibliothek mit rund 60.000 Bänden von Hamburg nach London während des Nationalsozialismus haben das Vorhaben zunichte gemacht. Die Idee einer vollständigen Edition von Warburgs Nachlass wurde erst in den 1990er Jahren wieder aufgegriffen und in einem umfassenden, auf sieben Bände angelegten Editionsprojekt mit zahlreichen Wissenschaftlern vorangetrieben.
Mit seinem Projekt fügt Prof. Michael Thimann von der Universität Passau sich in dieses umfassende Vorhaben und zielt darauf, die kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburgs in Katalogform zu rekonstruieren. Die Bedeutung der Bibliothek ist in der kunstwissenschaftlichen Forschung unbestritten, gilt sie doch bis heute als Prototyp einer modernen Forschungsbibliothek und dokumentiert beispielhaft den um 1900 einsetzenden Ablösungsprozess von der Privatbibliothek eines Gelehrten hin zum Arbeitsinstrument für die Forschung. Warburgs Bibliothek war zugleich aber auch ein institutioneller Ort, an dem sich Wissenschaftler unterschiedlicher Fachdisziplinen versammelten, um gemeinsame Probleme inmitten der Bücher zu diskutieren. Eigenen Aussagen zufolge dienten Warburg die Bücher als "Arbeitsinstrumente in einem wissenschaftlichen Laboratorium", wobei der Ankauf der Bücher keinem universellen Sammelziel (wie bei Staatsbibliotheken) diente, sondern ausschließlich aus thematischen Erwägungen im Kontext des interdisziplinären Forschungsinteresses stand. Die vorgesehene Rekonstruktion diene demzufolge nicht nur der Dokumentation einer bibliophilen Privatsammlung, sondern leiste auch einen zentralen Beitrag für das Verständnis der Wissenschaftsgeschichte der Geisteswissenschaften im 20. Jahrhundert.
Im Londoner Archiv befindet sich eine umfassende, die Bibliothek betreffende Dokumentation mit Inventaren und Zugangsbüchern, die seit 1905 geführt wurden und als Arbeitsgrundlage für die geplante Rekonstruktion des Bibliotheksbestandes dienen. Ziel ist es, einen zuverlässigen Katalog der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek mit einer bibliotheks- und wissenschaftshistorisch fundierten Einleitung zu erarbeiten. Dazu werden die Zahlungsbücher mit dem heutigen Digitalkatalog, dem Zettelkasten und dem materiellen Bestand in London abgeglichen. Im Gegensatz zu der Rekonstruktion der Bestände bis 1933 ist die Situation für die im Krieg hinzugekommenen Bücher sowie die Rekonstruktion der Alten Drucke schwieriger, da ein Teil der Bestände im Krieg verloren ging. Für die Ankäufe bis 1905 gibt es darüber hinaus keine regelmäßig geführten Zugangsbücher, so dass die umfangreiche Korrespondenz zwischen Warburg und den Buchhändlern und Antiquaren im Londoner Archiv recherchiert wird.