Arnold-Gehlen-Gesamtausgabe – Edition des Bandes 5: Urmensch und Spätkultur und weitere Studien zur Institutionenlehre (GA5) und des Bandes 8: Moral und Hypermoral und weitere Schriften zur Ethik und Religion (GA8)
Die auf zehn Bände angelegte Gesamtausgabe präsentiert ein vielschichtiges Werk, denn weit gestreut waren die Interessen und Arbeitsansätze, auch die Erträge dieses philosophischen und einzelwissenschaftlichen Lebenswerkes, und zwar in dem Sinne, dass Arnold Gehlen (1904–1976) eine Synthese verschiedener Forschungstraditionen und Materialien erreichen wollte. Philosoph, Anthropologe, Soziologe, konservativer Zeitkritiker – das sind Kennzeichnungen für einen Denker, der verschiedene Entstehungsphasen seiner Arbeiten, verschiedene Wissensgebiete verschmelzen wollte zu einer Anthropologie, die mehr leisten sollte als dies eine Fachdisziplin kann: als philosophisch durchgearbeitete, d. h. auf strukturelle Grundbegriffe angelegte wissenschaftliche Fundamentalbemühung um "Kategorien" sollte sie zugleich als Gesellschaftswissenschaft durchgeführt werden, wie auch eine Handlungstheorie begründen. Andererseits – so wendete Arnold Gehlen diese Forderungen – sollten soziologische Studien und polemische, streitbare Skizzierungen gesellschaftlicher Zustände gleichermaßen zurückführbar sein auf die Basiseinsichten dieser Synthesewissenschaft: der Philosophischen Anthropologie.
Das gegenwärtig geförderte Projekt umfasst die Edition des Bandes 5 „Urmensch und Spätkultur und weitere Studien zur Institutionenlehre“. Bei der 1956 erstmalig erschienenen Monografie „Urmensch und Spätkultur“ handelt es sich um das institutionentheoretische Hauptwerk Arnold Gehlens, das er selbst als Fortsetzung seiner elementaren Anthropologie („Der Mensch“, GA3) angesehen hat. Auch in seiner „Institutionenlehre“ setzt Gehlen bei der Handlung an und beim Mittel allen rational-praktischen Verhaltens, beim Werkzeug, sodann bei dem sich verselbständigenden Prozess der Handlungsdurchführung: Versachlichung, Verlagerung des Antriebs in den Gegenstand, Trennung von Motiv und Zweck und die Entstehung sekundärer – d.h. ursprünglicher gar nicht mit gedachter bzw. gewollter – Zweckmäßigkeiten. Er versucht dabei zu belegen, dass Institutionen sich „hinter dem Rücken der Beteiligten“ bilden, dass sie nicht wirklich intendiert oder gar rational geplant werden können. Im Anschluss analysiert Gehlen verschiedene Institutionen schaffende Mechanismen. Im zweiten Teil geht Gehlen dann auf die Entstehungsbedingungen von „Selbstwert-Formen“ in archaischen Gesellschaften ein und entwickelt die These von der institutionenschaffenden Kraft des darstellenden und ritualisierten Verhaltens. Der dritte Teil enthält eine philosophische Auswertung der Befunde.
Der zweite Teil des Vorhabens umfasst die Edition des Bandes 8 „Moral und Hypermoral und weitere Schriften zur Ethik und Religion“. In seiner letzten Monographie beschäftigt sich Gehlen mit dem Entwurf einer „pluralistischen Ethik“ als Konkretisierung seiner Lehre vom Menschen. Der Band steht damit in direkter Nachfolge seines anthropologischen Hauptwerks. Gehlen versucht hier Anthropologie, Verhaltensforschung und Soziologie so zu verbinden, dass vier voneinander nicht ableitbare Ethosformen empirisch freigelegt werden: „das aus der Gegenseitigkeit entwickelte Ethos“, einer „Mehrzahl instinktiver, verhaltensphysiologisch greifbarer Regulierung, einschließlich der Ethik des Wohlbefindens und des Glücks“, das „familienbezogene, ethische Verhalten […] bis zum Humanitarismus“ und das „Ethos der Institutionen einschließlich des Staates. Gehlen stellt sich damit gegen die „abstrakte Ethik der Aufklärung“, nach welchem es nur eine Moral gebe. Am Ende des Bandes 8 stehen zeitkritische Kapitel, die zusammenfassen, was Gehlen, vor allem in Wendung gegen die Studentenrevolte und die Reformen des sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt, in vielen Vorträgen und Auf-sätzen zum Ausdruck gebracht hat.
Bisher erschienen sind die Bände 1 „Philosophische Schriften I (1925-1933) und 2 „Philosophische Schriften II (1933-1938)“ sowie Band 3 „Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. Textkritische Edition unter Einbeziehung des gesamten Textes der 1. Aufl. von 1940“, Band 4 „Philosophische Anthropologie und Handlungslehre“, Band 6 „Die Seele im technischen Zeitalter und andere sozialpsychologische, soziologische und kulturanalytische Schriften“ und Band 7 „Einblicke“. Der Band 9 „Zeit-Bilder und andere kunstsoziologische Schriften“ wird 2013 erscheinen.
Die Arnold-Gehlen-Gesamtausgabe ist zwar nicht als historisch-kritische Edition geplant, jedoch soll jeder Band eine für den wissenschaftlichen Gebrauch eingerichtete Studienausgabe sein.