Aufklärung des Pathomechanismus beim Cooks-Syndrom, einer erblichen Fehlbildung aufgrund von Duplikationen nicht-kodierender DNA-Elemente
Beim Cooks-Syndrom handelt es sich um eine Form der Brachydaktylie, einer Gruppe erblicher Erkrankungen des Skelettsystems, bei der Hand- und Fußknochen entweder nicht angelegt sind oder Verkürzungen unterschiedlichen Schweregrads aufweisen.
Beim Cooks-Syndrom kommt zu einer (möglicherweise durch das Verschmelzen zweier Knochen zu einem bewirkten) Verkürzung der Fuß- und Fingerendglieder noch das teilweise oder vollständige Fehlen von Fuß- und/oder Fingernägeln hinzu. Im Rahmen einer Genomanalyse mittels Array-CGH (einem Vergleich von Patienten- und Kontroll-DNA mittels Hybridisierung) konnte Dr. Ingo Kurth nachweisen, dass bei seinen Patienten ein zwei Megabasen langer Bereich auf Chromosom 17q verdoppelt vorlag. Diese Region ist relativ genarm und eine genauere Sequenzanalyse ergab, dass die Duplikation keines der dort vorhandenen Gene betrifft, sondern im nichtkodierenden Bereich liegt. In der Regel wird davon ausgegangen, dass nur Veränderungen von Genen Krankheitsbilder hervorrufen können, doch hat man in jüngster Zeit vermehrt Genomveränderungen in nicht kodierenden Bereichen als Krankheitsursachen nachweisen können, wobei Duplikationen in diesem Zusammenhang allerdings selten beobachtet wurden. In der Nähe der beschriebenen Duplikation auf Chromosom 17 finden sich genregulatorische Elemente eines Gens mit der Bezeichnung SOX9, das für einen Transkriptionsfaktor kodiert, der während der Knochenbildung und der Knorpelzelldifferenzierung exprimiert und bei der Ausbildung des Gelenkspalts herunter reguliert wird, um eine reguläre Gelenkausbildung zu gewährleisten. Die Regulation der Genexpression von SOX9 erfolgt mittels sogenannter long range regulator elements, das heißt, die regulatorischen Elemente befinden sich in großer Entfernung zu „ihrem“ Gen und werden erst zur Transkription durch Konformationsänderungen der DNA in räumliche Nähe zu diesem gebracht.
Für die Ausbildung des Gelenkspalts wie für die gesamte Embryogenese ebenfalls wichtig ist das Signalübertragungssystem des Wnt/ß-Catenin-Signalwegs, bei dem durch die Bindung eines löslichen Liganden an einen Rezeptor auf der Zelloberfläche eine Kaskade von Ereignissen in Gang gesetzt wird, die letztlich in der Aktivierung von Zielgenen im Zellkern münden. Man weiß, dass ß-Catenin auf diese Weise die Transkription von SOX9 herunter regulieren kann, andererseits ist SOX9 aber über einen anderen Signalübertragungsweg in der Lage, den Abbau von ß-Catenin zu veranlassen. Das Fehlen eines der Liganden, die den Wnt-Signalweg in Gang setzen können, führt zum Ausbleiben der Nagelentwicklung. Es hat also den Anschein, als sei für die ordnungsgemäße Entwicklung von Gelenkspalt und Nagelanlagen eine feinabgestimmte Balance zwischen SOX9 und ß-Catenin notwendig. Wie diese im Einzelnen auszusehen hat, wird im Rahmen des Projekts an einem Mausmodell untersucht.
Dr. Ingo Kurth hat mittels In-situ-Hybridisierung zeigen können, das SOX9 bei Mäusen zu einem Zeitpunkt in den Zehenanlagen exprimiert wird, an dem sich die einzelnen Fingerglieder zu bilden beginnen, außerdem findet man wenig später eine Expression im sich entwickelnden Nagelbett, beides passt zum klinischen Bild des Cooks-Syndroms.