Ausgrabung in Bakr Āwa (Irak): Eine altorientalische Großstadt in der Kontaktzone mesopotamischer und iranischer Kulturen
Im Rahmen des Projekts wird die Entwicklung der Siedlung von der prähistorischen Zeit bis zum 1. Jahrtausend v. Chr. untersucht.
Die Fundstätte befindet sich in der kurdischen Provinz Sulaimaniya und umfasst einen Zitadellenhügel, der sich rund 40 m über die umliegende Ebene erhebt, und eine Unterstadt mit einer erhaltenen Fläche von über 40 ha. Wurde die Siedlung vormals noch als relativ unbedeutender Ort an der Peripherie des mesopotamischen Reiches verstanden, der unter sumerisch-akkadischem bzw. babylonisch-assyrischem Einfluss stand, so weisen die bereits ergrabenen Funde nunmehr auf einen engen Bezug zu Mesopotamien hin. Die Stadt hat offenbar in einer Kontaktzone zu unterschiedlichen Kulturen gelegen, deren dynamische Interaktion sich in ihren Hinterlassenschaften widerspiegelt.
Die Sondagen in der Unterstadt werden bis zum gewachsenen Boden vertieft, um zu prüfen, ob die gelegentlich in oberen Schichten auftauchenden Fragmente mittelchalkolitischer und spätneolithischer Keramik aus den prähistorischen Siedlungsschichten von Bakr Āwa stammen oder ob sie mit dem Baumaterial aus der Umgebung in die Siedlung gebracht wurden. Um die Situation der Siedlung in der Zeit zwischen dem 3. und 4. Jahrtausend v. Chr. in den Blick zu bekommen, wird eine bereits vorhandene Sondage an der Südseite der Zitadelle vertieft, wobei die Ausdehnung der Anlage nach Westen bestimmt wird. Für diesen Zeitraum soll zudem geklärt werden, ob die bereits festgestellte Vergesellschaftung bemalter Keramik mit der Uruk-zeitlichen Ware ein lokales Phänomen ist oder ob sie in einem breiten Rahmen gleichzeitiger Entwicklungsprozesse in den östlich und südöstlich liegenden Regionen (mittleres Zagros-Gebirge, Elam) betrachtet werden muss. Die genaue Datierung dieses Horizontes erfolgt durch eine C14-Analyse. So- dann werden anhand des Fundmaterials die interkulturellen Wechselbeziehungen in der Zeit vom 3. zum 2. Jahrtausend untersucht, also von der Akkade- bis zur Isin-Larsa-Zeit.
Neue Sondagen sind am Fuß der Zitadelle und an der nördlichen Peripherie der Unterstadt geplant, wobei die bronzezeitliche Ausdehnung der Siedlung im 2. Jahrtausend v. Chr. ermittelt werden soll. In diesem Zusammenhang gilt es, Umfang und Intensität des kulturellen Austausches mit Babylon und Assyrien zu fassen. Auf dem Haupthügel wird zudem eine Untersuchung anvisiert, mit der die Frage nach der Anwesenheit der assyrischen Verwaltung in Bakr Āwa zwischen dem 9. und 7. Jahrhundert v. Chr. beantwortet werden soll. Es wird geprüft, ob es zwischen der festgestellten Besiedlung in der assyrischen und achämenidischen Zeit einen Hiatus gab und wie die bereits sicher belegte kulturelle Ostanbindung der damaligen Siedlung konkreter gefasst werden kann.