Citizens‘ Photography: Knowledge Production in the Realm of Human Rights
Ausgangspunkt dieses Projekts sind von Bürgern in den von Israel besetzten Gebieten produzierte Film- und Fotoaufnahmen, die Menschenrechtsverletzungen dokumentieren sollen.
Seitdem Menschenrechtsorganisationen vor rund 20 Jahren zum ersten Mal digitale Kameras an Einwohner in Krisengebieten verteilt und dazu aufgefordert haben, Missbrauch und gewalttätige Übergriffe damit zu dokumentieren, hat sich die Arbeit der Organisationen stark verändert. Einzelpersonen können nunmehr aufgrund der kostengünstigen und zugleich benutzerfreundlichen digitalen Foto- und Videotechnologie Menschenrechtsverletzungen auf eine Weise dokumentieren, die sich von Dokumentationen unbeteiligter Dritter (Journalisten, Vertreter von Menschenrechtsorganisationen) mitunter deutlich unterscheidet. Diese Art der »Zeugenschaft«, die in kollaborative Netzwerke eingebettet ist, stellt eine neue Form der Wissensproduktion dar, die sich u. a. auf die organisatorischen Strukturen und die Handlungsnormen von Menschenrechtsorganisationen auswirkt.
Während die Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und ihre Unterstützer auf der Grundlage von Wissen und fachlicher Expertise operieren, geht Dr. Ginsburg mit der Fallstudie der Frage nach, welche Formen einschlägiger Wissensproduktion durch beteiligte Laien hervorgebracht werden und welchen Normen und Mechanismen die »Bürger-Fotografie« unterliegt. Das interdisziplinär zwischen Geistes- und Sozialwissenschaft aufgestellte Projekt, das die Bildwissenschaft mit dem Thema Menschenrechte verknüpft, nimmt das »Kamera-Projekt« der israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem in den Blick. Die nichtstaatliche Organisation sieht ihre Aufgabe darin, Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten unparteiisch nachzuweisen, die israelische Öffentlichkeit und Gesetzgeber darüber zu informieren und zu einer humaneren Gesellschaft beizutragen. Ihr primäres Ziel ist es, die israelische Politik in den besetzten Gebieten zu ändern und sicherzustellen, dass Israel die Menschenrechte der dortigen Bevölkerung gewährleistet.
Das in den besetzten Gebieten entstandene Film- und Fotomaterial der beobachtenden Bürger wird analysiert und mit dem Material aus ähnlichen Projekten verglichen und ausgewertet werden (u. a. Krieg in Syrien, Tsunami-Katastrophe in Japan, Arabi¬scher Frühling, Polizeigewalt in Brasilien). Dr. Ginsburg führt in diesem Zusammenhang Interviews mit Vertretern und Mitgliedern der Menschenrechtsorganisationen durch, sichtet Archive und gleicht die dokumentierten Ereignisse mit den Berichten der Organisationen ab. Zuletzt wird die beschriebene Vorgehensweise der Menschenrechtsorganisationen evaluiert und die zugrunde liegenden Mechanismen der beschriebenen Wissensproduktion im Lichte der jüngsten theoretischen Bemühungen untersucht. Dabei werden Chancen und Grenzen der »Bürger-Fotografie« aus theoretischer, soziologischer, verfahrenstechnischer sowie aus anwendungspraktischer Perspektive aufgezeigt und analysiert.