Das ‘Ende der Geschichte’. Die Translation einer heilsgeschichtlichen Denkfigur durch Alexandre Kojève
Gefragt wird nach dem Zusammenhang von Hegels Philosophie und der Übersetzung eines im Westen kaum bekannten russischen philosophischen Diskurses durch den russisch-französischen Philosophen Alexandre Kojève (1902-1968)
In dem Forschungsvorhaben untersucht Frau Dr. Annett Jubara die philosophiegeschichtlichen Bezüge innerhalb eines transkulturellen Diskurses. Alexandre Kojève, 1902 in Moskau geboren, emigrierte nach der Oktoberrevolution nach Deutschland und promovierte bei Karl Jaspers mit einer Arbeit über den russischen Religionsphilosophen Vladimir Solov'ev (1859-1900); berühmt wurde er in den Dreißiger Jahren durch seine einflussreichen Vorlesungen über Hegel an der Pariser École Pratique des Hautes Études. Im Mittelpunkt des von Kojève "übersetzten" russischen Diskurses steht das Motiv des Endes der Geschichte.
Im geschichtsphilosophischen Denken Alexandre Kojèves erfolgte eine problemgeschichtlich wichtige Reflexion auf den Gegensatz von Geschichte als Gegenstand der Geschichtsphilosophie und Heilsgeschichte als Gegenstand der Historiosophie. Diese Reflexion lieferte ein Gegengewicht zur vorherrschenden Auffassung der Geschichte als "säkularisierte Heilsgeschichte", welche – nach der Meinung von Frau Dr. Jubara – verfehlt, was die Geschichte tatsächlich ausmacht und von der bloßen Geschichtlichkeit des Historismus unterscheidet. Der Erkenntnisstand, der dabei von Kojève erreicht wurde, wird in dieser Arbeit rekonstruiert und kritisch hinterfragt. Eine derartige Rekonstruktion und kritische Untersuchung ist erforderlich, weil Kojèves Ideen zum Ende der Geschichte in der zeitgenössischen Philosophie und Ideologie ausgesprochen einflussreich sind, zugleich aber ihr Reflexionsgehalt nicht wirklich rezipiert wurde.
Bislang wird die Vorstellung vom Ende der Geschichte bei Kojève entweder als Resultat seiner Hegel-Interpretation oder aber als Übernahme des entsprechenden eschatologischen Motivs aus der historiosophischen Konzeption des russischen Religionsphilosophen Vladimir Solov'ev bzw. als Kombination beider verstanden. Dies heißt, Kojèves Denkfigur des "Endes der Geschichte" wird entweder der Geschichtsphilosophie oder aber der Historiosophie zuordnet. Im Projekt wird diese Sicht hinterfragt. Die diesbezügliche Hypothese lautet, dass das "Ende der Geschichte" bei Kojève kein "laisiert" heilsgeschichtliches, sondern ein "geschichtsphilosophisches" ist.