Der Untergang der mykenischen Paläste der Argolis – Die Folge eines Erdbebens?
Kann ein Erdbeben für den Untergang der Paläste in Griechenland verantwortlich gewesen sein?
Diese Frage stellen sich Prof. Klaus-G. Hinzen, Erdbebenstation Bensberg der Universität zu Köln, und Prof. Joseph Maran, Zentrum für Altertumswissenschaften der Universität Heidelberg. Die mykenischen Paläste sind um 1200 v. Chr. durch Feuersbrünste zerstört worden. Der Untergang markiert einen Wendepunkt in der Geschichte Griechenlands, da die Katastrophe einen politischen Kollaps zur Folge hatte. Selbst in der Argolis, der Kernregion des mykenischen Griechenlands, kommt die Hochkultur zum Erliegen: Monumentalarchitektur, Großkunst und Schriftlichkeit verschwinden und markieren den historischen Einschnitt, der in der Wissenschaft zunächst auf eine kriegerische Auseinandersetzung zurückgeführt wurde. Anhand von Zerstörungsmustern an Bauwerken in Midea und Tiryns haben Forscher seit den 1980er Jahren jedoch andere Ursachen erkennen wollen. Grund für die Zerstörung sei demnach ein Erdbeben gewesen. Obwohl diese These allein auf intuitiven archäologischen Beobachtungen beruht, hat sich die Annahme durchsetzen können. Ohne eine archäoseismologische Überprüfung der Hypothese würde die Frage nach der Relevanz von Naturkatastrophen beim Untergang der mykenischen Paläste jedoch weiter unklar bleiben. In der Studie geht es daher darum, am Beispiel von Midea und Tiryns als den Orten, die im Mittelpunkt der Erdbeben-Hypothese standen, die Sachlage zu klären und erstmals eine umfassende archäoseismologische Untersuchung der Region Argolis durchzuführen. Dabei werden seismologische, morphologische und ingenieur-geologische Daten zusammengestellt und ein archäoseismologisches Modell des in Frage stehenden Zeitraums erstellt.
Anhand des ingenieurseismologischen Modells werden die seismogenen Bauschäden quantitativen Tests unterzogen. Prof. Hinzen und Prof. Maran klären, wie das seismotektonische Potential der Argolis und der angrenzenden Gebiete zu beurteilen ist, ob es Erbebenherde gab, die das angesprochene Zerstörungspotential gehabt haben könnten und ob sich die einmalige topographische Situation möglicherweise auf die anzusetzende Erdbebenbelastung ausgewirkt hat. Können die Schäden an den kyklopischen Mauern in Tiryns und den Befestigungen in Midea tatsächlich durch Erdbebeneinwirkung erklärt werden? Falls die Zerstörung von Tiryns auf eine Bodenbewegung zurückgeführt werden kann, stellt sich die Frage nach den Auswirkungen auf die Unterstadt. Welche Schlussfolgerungen können aus den nicht zerstörten Strukturen gezogen werden?
Ziel ist es, eine Synthese aus den archäologischen Befunden der letzten Jahrzehnte, den bereits erfassten geologischen Daten und den Informationen, die aus dem genannten seismotektonischen Modell gewonnen werden sollen, herzustellen. Das Modell kann Stärke und Häufigkeit von potentiellen Schadensbeben eingrenzen und Erbebenszenarien berechnen. In Kombination mit Bodenverstärkungsmodellen kann die dynamische Last für die Standorte bestimmt und anhand ausgewählter Strukturen der Akropolis simuliert werden. Dabei werden die Umfassungsmauern in Tiryns und Midea mit den unterschiedlichen Schadensmustern verglichen, die durch die 3D Laserscans erfasst werden. Zudem wird ein hochauflösendes morphologisches Modell verwendet, um die Überflutungsereignisse in der Bronzezeit und mögliche, durch Erdbeben ausgelöste Hangrutschungen genauer erfassen und die topographisch-seismischen Standorteffekte besser abschätzen zu können. Darüber hinaus werden die existierenden Bohr- und Aufschlussdaten gesichtet und in einem GIS Modell zusammen mit dem neuen Geländemodell verknüpft.