Didymos Grammatikos: re-reading a Christian school in Alexandria
Didymos der Blinde (313-398) war ein christlicher Schriftsteller und Kirchenlehrer. Er galt als Anhänger des Origenes.
Ziel des Forschungsvorhabens ist es, den griechischen Gelehrten Didymos als „Grammatikos“, also als Lehrer im weiterführenden Schulbetrieb, neu zu interpretieren.
In der Forschung wird Didymos zumeist als ein Haupt der alexandrinischen Katechetenschule gesehen, der sich mit der Auslegung biblischer Bücher und Texte beschäftigte und die Taufkandidaten in der christlichen Lehre unterwies. Vorlesungsmitschriften zu den biblischen Büchern der Psalmen und des Ecclesiasticus (Jesus Sirach), die 1941 in Tura in Ägypten gefunden wurden, enthalten jedoch nicht nur Exegesen der biblischen Texte, sondern auch Ausführungen zur Grammatik, Logik, Dialektik, Numerologie, Biologie, Astronomie und Philosophie. Sie zeigen Bezüge zur aristotelischen und stoischen Philosophie. Diese Erkenntnisse machen es notwendig, das Werk und die Person des Didymos neu zu interpretieren. Didymos kann nicht mehr, wie in der Forschung traditionell angenommen wird, primär als christlicher Katechet gesehen werden, sondern die Mitschriften der Vorlesungen legen nahe, dass er sich als Grammatiker verstand, der anhand der Texte aus dem Alten Testament (Moses, Salomon, Psalmist etc.) auch das philosophische und wissenschaftliche Erbe der Antike vermittelte.
Prof. Stefaniw erwartet, dass sich durch die Neuinterpretation des Didymos als Grammatiklehrer auch neue Möglichkeiten im Verständnis des Verhältnisses von Bildung und religiöser Identität in der Spätantike ergeben. Darüber hinaus strebt sie an, durch das Forschungsprojekt Erkenntnisse über den Schulbetrieb in der Spätantike sowie über die Stellung des Christentums in der spätantiken Gesellschaft gewinnen zu können.