Die Kantate als aristokratisches Ausdrucksmedium im Rom der Händelzeit (ca. 1695-1715)
Die Kantate war in der römischen Adelsmusikkultur des Barock von allerhöchster Bedeutung.
Als Händel 1706 nach Rom kam, fand er ein musikalisches Umfeld vor, das von Kardinälen, Fürsten und anderen hochgestellten Persönlichkeiten nicht nur finanziert, sondern auch mitgestaltet wurde. Dass die Kantate in der römischen Adelsmusikkultur des Barock von allerhöchster Bedeutung war, lässt sich sowohl an der schieren Fülle des Materials – um 1700 sind Hunderte von Kantaten produziert worden – als auch an der künstlerischen Beteiligung von Adligen ablesen. So sind Kantatentexte von Kardinal Pietro Ottoboni und dessen Vater Antonio, von Kardinal Benedetto Pamphilj, Fürst Francesco Maria Ruspoli und Kardinal Carlo Colonna nachweisbar. Obwohl die Kantatenproduktion auf den höchsten Stufen der sozialen Pyramide angesiedelt war, die Stücke in Anwesenheit des Adels im Rahmen der wöchentlich stattfindenden Konzerte in den Akademien zur Aufführung kamen oder als Geschenke in Adelskreisen zirkulierten, wurde sie bislang noch nicht in einem größeren soziokulturellen Kontext beleuchtet. Zwar liegen Studien zum Kantatenschaffen Händels vor, doch hat man seine Musik und sein Genie mehr oder weniger isoliert betrachtet.
Grundsätzlich stellen sich folgende Fragen: Auf welchen Grundlagen baute Händel auf? Wie wirkte seine Musik nach? In welchem Verhältnis steht sie zum Kantatenschaffen anderer zeitgenössischer Musiker in Rom? Welche funktionale Zielsetzung kann man für die Kantaten annehmen? Das Projektteam geht darüber hinaus der Frage nach, warum sich die höchsten Schichten so intensiv mit der Kantate beschäftigten und aus welchen Gründen sich gerade Kardinäle so stark für das Genre einsetzten, obwohl es in den Kantaten doch meist um weltliche Liebe geht.
Am Beispiel von vier Protagonisten des römischen Musiklebens – Fürst Francesco Maria Ruspoli, Kardinal Pietro Ottoboni, Kardinal Carlo Colonna und Kardinal Benedetto Pamphilj – wird die Kantate als adelsspezifische, auf Text und Musik basierende Kommunikationsform ausgelotet. Erste Ergebnisse des Forschungsprojekts lassen erkennen, wie sehr sich Kantaten in den sozialen Kontext fügen konnten. Einerseits kann man sie auf bestimmte Ereignisse an Fürstenhöfen beziehen, andererseits dienten sie dazu, Persönlichkeiten gezielt in der Öffentlichkeit in Szene zu setzen und sie als Förderer etwa der Künste oder der öffentlichen Wohlfahrt zu positionieren.
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