Die Kapitelle der Colonia Claudia Ara Agrippininensium. Untersuchungen zur Architekturgeschichte des römischen Köln
Prof. Michael Heinzelmann und Dr. Marcus Trier stellen Untersuchungen zur Architekturgeschichte des römischen Köln an.
Im Rahmen eines 12-monatigen Forschungsprojekts wird ein Teilbereich der kaiserzeitlichen Bauornamentik des römischen Köln dokumentiert, analytisch ausgewertet und publiziert. Am konkreten Fallbeispiel der Kapitellproduktion schaffen Prof. Heinzelmann und Dr. Trier eine wissenschaftliche Grundlage für eine umfassende Aufarbeitung der Bauornamentik des römischen Rheinlandes und diskutieren die Bildung lokaler Kapitellformen im Verhältnis zur regionalen und reichsweiten Entwicklung. Während für andere Gebiete der Nordwestprovinzen entsprechende Untersuchungen vorliegen, sind entsprechende Studien für die „Germania inferior“ und insbesondere für ihre Provinzhauptstadt „Colonia Claudia Ara Agrippinensium“ aufgrund fehlender Materialzusammenstellung ausgeblieben. Bislang sind lediglich Einzelstücke, einzelne Kapitelltypen oder begrenzte Fundkomplexe untersucht worden. Im Vergleich zu den zahlreichen Publikationen, die Siedlungsspuren, Baubefunde, bildliche Darstellungen, Inschriften, Kleinfunde und Skulpturen behandeln, steht die Erforschung der aus ihrem ursprünglichen architektonischen Kontext gelösten Architekturglieder noch ganz am Anfang. Eine Zusammenstellung der einschlägigen Bauglieder des römischen Köln kann nicht nur ein schlüssiges Bild der stilistischen Entwicklung, sondern auch der unterschiedlichen Monumentalisierungsprozesse liefern. Grund dafür ist die Tatsache, dass die Kapitelle der verschiedenen Architekturordnungen monumentaler und öffentlicher Respräsentations- und Kultbauten sowie privater Wohn- und Grabanlagen die umfangreichste Gruppe des erhaltenen Denkmälerbestandes überhaupt darstellen.
Das Projekt ist im Rahmen der vom Land NRW geförderten, vom Römisch-Germanischen Museum und dem Archäologischen Institut der Universität zu Köln durchgeführten Gesamtaufnahme der antiken Steindenkmäler des römischen Köln entwickelt worden. Die teils nur fragmentarisch erhaltenen 379 Säulen- und Pilasterkapitelle wurden bereits in einem Katalog erfasst und typologisch geordnet. Die jeweiligen Rubriken unterscheiden zwischen Fundkontext, Material, Maßangaben und Erhaltungszustand, enthalten darüber hinaus Detailbeschreibungen und geben Hinweise auf Fachliteratur und fotographische Dokumentationen. Der vollständige Katalog wird im Verlauf der Untersuchung in das Bilddatenbank-System ARACHNE der Arbeitsstelle für digitale Archäologie am Archäologischen Institut der Universität zu Köln eingearbeitet, um den dort bereits erfassten Denkmälerbestand zu ergänzen.
Im Kern umfasst das Forschungsprojekt die wissenschaftliche Einordnung der dokumentierten Kapitellplastik, wobei Stilanalyse und Chronologie als Grundlage dazu dienen, die zeitlichen Horizonte innerhalb der Entwicklung präziser zu fassen, während die ikonographische Untersuchung der Dekorformen Aufschluss über regionale Besonderheiten und überregionale Gemeinsamkeiten der rheinländischen Bauornamentik geben. Neben den tuskischen Kapitellen ermöglichen vor allem die korinthischen Kapitelle, deren Aufbau und Ornamentdekor besonders sensibel auf stilistische Änderungen reagieren, sowie die verwandten Kompositkapitelle eine exakte stilistische Einordnung. Über den reichen Formenkatalog lässt sich ein tragfähiges chronologisches Gerüst erarbeiten, das wiederum mit den Datierungsansätzen der Kapitellproduktion in den Provinzen des Imperiums abgeglichen wird. Auf dieser Basis lassen sich darüber hinaus Aussagen zu Polychromie und Produktionsweisen sowie zu Werkstattfragen und regionalen Besonderheiten treffen.
Von der anschließenden Betrachtung unter urbanistischen Gesichtspunkten versprechen sich Prof. Heinzelmann und Dr. Trier neue Erkenntnisse im Hinblick auf Verwendungsmuster der verschiedenen Bauformen und in Bezug auf den zeitlichen Ablauf der verschiedenen Monumentalisierungsphasen. Es stellt sich die Frage nach den Wechselwirkungen zwischen lokalen Elementen und reichs- bzw. stadtrömischen Einflüssen. Da Colonia mit Erhebung zur Provinzhauptstadt auch zu einem Zentrum von Bau- und Ausstattungsmoden wurde, bietet sich der Fundkomplex an, um Assimilations- und Abgrenzungstendenzen (Romanisierung/Resistenz) zu erfassen und die Vorstellung von den gesellschaftlichen Prozessen im urbanen Zentrum zu konkretisieren. Zuletzt geht es darum, die Funde unter dem Gesichtspunkt nachantik-mittelalterlicher Spolierung auszuwerten. Vor allem der Fundkomplex aus dem Areal der Kirche St. Gereon liefert eine Grundlage für eine erfolgreiche Rekonstruktion verschiedener Mauerzüge, in denen Kapitellfragmente verbaut wurden. Über die Rekonstruktion vollständiger Denkmäler hinaus können die Befunde Informationen hinsichtlich des praktischen Vorgangs der spätantik-mittelalterlichen Spolierung römischer Steindenkmäler liefern.