Die lokale Verankerung globaler Institutionen. Eine vergleichende Untersuchung von Gesundheitsprogrammen zu HIV/Aids und reproduktiver Gesundheit
Das Projekt geht der Frage nach, wie global institutionalisierte Normen, z. B. der Biomedizin, in einen spezifischen kulturellen Kontext eingebettet werden.
Lokale Lebenswelten werden in zunehmendem Maße von globalen Institutionen durchdrungen und dadurch ihrer kulturellen Selbstverständlichkeit beraubt. Dies gilt vor allem auch für solche Gesellschaften, die in kultureller Hinsicht lange Zeit nicht von der westlichen Moderne geprägt waren. Bislang ist die Forschung zur Verbreitung globaler Institutionen stark von der Diffusionsperspektive geprägt, die insbesondere die formale Ausbreitung internationaler Normen erklärt. Komplementär dazu geht es in diesem Projekt nicht um die horizontale Verbreitung, sondern um die vertikale Verankerung globaler Institutionen. Dieser Prozess wird von Prof. Bonacker als Lokalisierung bezeichnet. Mit diesem Perspektivenwechsel sollen Aushandlungsprozesse und Konflikte in den Mittelpunkt rücken, die mit einer solchen lokalen Verankerung einhergehen, denn nicht selten stößt die Lokalisierung globaler Institutionen dort an Grenzen, wo sie mit lokalen Überzeugungen und lokalem Wissen konfligieren.
In Anlehnung an neoinstitutionalistische Ansätze versteht Prof. Bonacker unter Institutionen kulturelle Regeln, die bestimmten Einheiten und Handlungen kollektiven Sinn und Wert verleihen und dadurch dauerhafte, unhinterfragt geltende und deshalb erwartbare Muster sozialen Handelns hervorbringen. Während normative Institutionen Werte und Glaubenssysteme verankern, stellen kognitive Institutionen ein unhinterfragt geltendes Wissen bereit, das sich in Skripten und kollektiv geteilten Deutungsmustern manifestiert.
Prof. Bonacker wählt den Umgang mit HIV/Aids und reproduktiver Gesundheit zur Illustration der lokalen Verankerung globaler Institutionen.
Untersucht werden soll
- wie normative und kognitive globale Institutionen durch die Entwicklungszusammenarbeit im Gesundheitssektor lokalisiert werden,
- welche Aushandlungsprozesse und Konflikte dabei zwischen internationalen und lokalen Akteuren zu beobachten sind und
- inwiefern sich dadurch die tatsächliche institutionelle und individuelle Praxis (bspw. neue gesetzliche Regelungen bei der Patientenversorgung, Normwandel in Bezug auf Sexualerziehung oder die Einführung medizinischer Diagnoseverfahren) verändert.