Edition der spätmittelalterlichen päpstlichen Kanzleiregeln
Päpstliche Kanzleiregeln sind entgegen ihrem eher unscheinbaren Namen die wichtigste Kodifizierung des spätmittelalterlichen Kirchenrechts.
Das Projekt hat zum Ziel, die Kanzleiregeln der päpstlichen Kurie von Johannes XXII. (1316-1334) bis zu Sixtus IV. (1471-1484) auf der Basis der überlieferten Handschriften und Frühdrucke zu edieren.
Die Regeln betreffen vornehmlich die Verwaltung des kirchlichen Vermögens und den „Thesaurus ecclesiae“, den immateriellen Kirchenschatz. Ihre bisher unterschätzte historische Relevanz ergibt sich aus der Tatsache, dass die Kirche im Mittelalter nicht nur mit großem Abstand die reichste Institution war, sondern auch, dass spätestens seit Kaiser Theodosius alle Christen ihren Gesetzen unterworfen waren. Was die Kirche seither regelte, betraf somit jedermann. Seit dem Investiturstreit organisierte sich die Kirche zunehmend monarchisch und zentralistisch. Gleichzeitig entwickelte sich das kirchliche „beneficium“ bzw. die „prebenda“, nämlich das Recht des Stelleninhabers, das ihm zugeteilte Kirchengut auf Lebzeit zu nutzen, während der Zölibat zuverlässig verhinderte, dass an diesem Gut irgendwelche Erbansprüche entstanden. Die Konsequenz daraus war, dass die Nutzungsrechte an diesem großen Vermögen in jeder Generation neu verteilt werden mussten.
Der bürokratische Optimismus ließ in der Folgezeit ein administratives Verfahren entstehen, das diese Aufgabe lösen sollte. Gemäß der Konstitution Clemens`IV. von 1265 mit den Anfangsworten „Licet ecclesiarum“ konnte der Papst jegliche Pfründe rechtmäßig verleihen, sofern er dafür einen rechten Grund hatte. Solche Gründe konnten ihm durch Bittschriften suggeriert werden. Tausende von Registerbänden im Vatikanischen Archiv zeugen noch heute davon, wie sehr von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde. Das Ergebnis dieser Bitten, die päpstliche „littera“ als Mandat oder Gratialbrief, ist als sogenanntes Reskript zu verstehen, das in der päpstlichen Kanzlei aus den inhaltlichen Vorgaben des Petenten und aus der päpstlichen Signatur auf der Bitt-schrift redigiert wurde. Delegierte Richter in der Nähe des Petenten oder der erbetenen Sache hatten abschließend die Aufgabe, die gewährte Gnade zu verwirklichen bzw. das erwirkte Mandat auszuführen.
In den „Regulae Cancellariae apostolicae“, die erstmals unter Bonifaz VIII. greifbar und seit Johannes XXII. in ununterbrochener Folge überliefert sind, wird dieses Verfahren auf all seinen Stufen und immer detaillierter geregelt. Seit der Wende zum 15. Jahrhundert wurden die Kanzleiregeln sehr oft kopiert und seit dem Pontifikat Pauls II. (1464-1471) auch häufig gedruckt.
Das Editionsvorhaben soll erstmals diese Rechtstexte, die nicht nur aus diplomatischer, kanzlei- und rechtsgeschichtlicher, sondern auch aus sozialgeschichtlicher Perspektive von Bedeutung sind, für die Forschung zugänglich machen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
http://www.uni-marburg.de/fb06/mag/institut/personal/meyer/projektregeln