Finanzhilfen für Unternehmen als regionale Wirtschaftsförderung. Das Beispiel der Stahlwerke Röchling-Burbach/Arbed-Saarstahl und die Neugestaltung des saarländischen Industriestandorts 1971-1986
Im Zentrum des Forschungsvorhabens stehen die Auswirkungen der regionalen Wirtschaftsförderung auf die Neugestaltung des saarländischen Industriestandortes in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts.
In den westeuropäischen Montanregionen setzte im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts ein Prozess des krisenhaften Strukturwandels ein, der die seit der Hochindustrialisierung gewachsene industrielle Welt dauerhaft veränderte. Dieser Prozess ging einerseits einher mit der Durchsetzung hocheffizienter, auf technologieintensiver Wertschöpfung beruhender Produktionsweisen, mit denen sich auch die sogenannten alten Industrien auf dem Weltmarkt behaupten konnten. Andererseits war er verbunden mit dem Abbau industrieller Arbeitsplätze und sozialer Sicherheit sowie einer Zunahme von innergesellschaftlichen Verteilungskonflikten und einer wachsenden Schere zwischen Armut und Reichtum. Die Prozesse des Strukturwandels besaßen daher eine enorme innenpolitische Bedeutung für die – jeweils unterschiedlich betroffenen – westeuropäischen Staaten und hatten durch die wirtschaftliche Integration in der EG eine europapolitische Dimension. Dies galt besonders für die Stahlindustrie, die in den 1970er Jahren noch eine zentrale Rolle in Hinblick auf die nationale industrielle Entwicklung, als Arbeitgeber und als „Rückgrat“ regionaler Wirtschaftskreisläufe spielte. Die Subventionierung einzelner Unter¬nehmen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen waren, war daher ein wichtiges wirtschaftspolitisches Instrument zur Steuerung des Strukturwandels, um soziale Härten für die von Arbeitslosigkeit betroffenen Beschäftigten abzumildern, gesamtwirtschaftlichen Schäden vorzubeugen und Anreize für Investitionen in arbeitsplatzsichernde Modernisierungsprozesse zu geben. Öffentliche finanzielle Beihilfen für die Stahlindustrie waren dabei in der Regel nicht nur mit der Absicht verbunden, einzelne Unternehmen zu erhalten, sondern auch damit, andere Industriezweige und ganze Wirtschaftsregionen zu unterstützen und zu stabilisieren.
Das Ziel des Projektes ist es, anhand einer Fallstudie exemplarisch die Praxis der Subventionsvergabe und ihre Auswirkungen auf die Regionalwirtschaft zu untersuchen. Dazu dient das Beispiel des multinationalen deutsch-luxemburgischen Konzerns Stahlwerke Röchling-Burbach/Arbed-Saarstahl, der im Untersuchungszeitraum das bedeutendste Montanunternehmen in der Saar-Lor-Lux-Region darstellte und vom Land, aus Bonn und aus Brüssel umfangreiche Subventionen erhielt, um vor dem Bankrott gerettet zu werden und einen Restrukturierungsprozess durchlaufen zu können.
Die Subventionen für die Stahlwerke werden im Kontext der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie der Wirtschaftspolitik des Saarlandes analysiert. Auf der Grundlage umfangreicher und bislang noch nicht ausgewerteter Quellenbestände aus der Geschäftsführung des Unternehmens und aus dem saarländischen Wirtschaftsministerium werden dabei das Interessengeflecht und die Entscheidungsprozesse, die zu den staatlichen Eingriffen in den Wettbewerb führten, herausgearbeitet und kritisch hinterfragt. Zugleich wird die Einbettung der finanziellen Förderung in die Industrie-, Struktur- und Arbeitsmarktpolitik des saarländischen Wirtschaftsministeriums und ihre Wechselwirkung mit der Subventionspolitik von Bund und EG untersucht. Schließlich wird nach den Wirkungen der Subventionen gefragt – insbesondere in Hinblick auf die Bewältigung des sozio-ökonomischen Strukturwandels der Saarregion im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts.