Husserl und die antike Eidoslehre – Untersuchungen zur Rezeption und Transformation der Platonischen und Aristotelischen Wesenskonzeption in Husserls veröffentlichten und unveröffentlichten Schriften
Mit seiner ‚eidetischen Methode‘ stellt sich Husserl eindeutig in die Platonisch-Aristotelische Tradition, was bislang in der Forschung nur wenig Beachtung gefunden hat.
Edmund Husserls Phänomenologie basiert als universale Grundlegungswissenschaft auf der Methode der phänomenologischen Reduktion und der auch als Wesensschau, Ideenschau, Ideation oder später als eidetische Variation bezeichneten eidetischen Methode. Insbesondere mit letzterer beansprucht Husserl, allgemeingültige Erkenntnisse zu gewinnen, d.h. zu apriorischen Einsichten zu gelangen.
Trotz der entscheidenden systematischen Bedeutung der Wesenslehre für Husserls Phänomenologie finden sich in der textkritischen Gesamtausgabe Husserliana bisher nur einige kurze, über verschiedene Bände verteilte Textabschnitte, auf die sich die Forschung stützen konnte. Der Ende Oktober 2011 erschienene Band XLI macht nun das gesamte Spektrum der Husserlschen Eidoslehre, von ihren Anfängen in den 1890er Jahren (u.a. "Logische Untersuchungen") bis zum Spätwerk (u.a. "Krisis") anhand einschlägiger, unter qualitativen Aspekten ausgewählter, bislang unveröffentlichter Forschungsmanuskripte aus dem Nachlass zugänglich. Vor dem Hintergrund dieses neuen Forschungsstandes hat Dr. Dirk Fonfara eine umfassende philosophische Untersuchung dieser zentralen Thematik begonnen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der offenkundigen, aber bisher nicht eingehend bzw. nur marginal erforschten Einflüsse der akademischen Eidoslehren auf Husserl, d.h. der Platonischen Ideenlehre und deren Abänderung durch Aristoteles, sowie ihrer "Vermittler". Insbesondere über Carl Stumpf, Franz Brentano, Hermann Lotze und Friedrich Überweg als "Vermittler" hat Husserl Platonisches und Aristotelisches Gedankengut rezipiert, in seine Phänomenologie integriert und dabei auch systematisch transformiert, vor allem hinsichtlich des ontologischen Charakters des Eidos. Auf diese Weise soll das Projekt zu einem neuen und erheblich differenzierteren Gesamtverständnis der Husserlschen Eidoslehre führen, als es bislang möglich war.