Koordination selbstständiger Unselbständigkeit: Erwerbsarbeit jenseits der Organisation im Internetzeitalter
Welche Potentiale und Risiken haben die neuen Formen der Erwerbsarbeit?
Im Übergang zur Wissensgesellschaft entstehen hybride Formen der Koordination von Erwerbsarbeit, die traditionelle Prozesse der Arbeitsteilung ersetzen. Jenseits von Arbeitsverträgen und unternehmerischer Organisation verlaufen die Grenzen zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit mittlerweile oft fließend. Anliegen des Forschungsprojekts ist es, die Erwerbsform des „Crowdworking“ als besonders zugespitzten Modus für die Dezentralisierung und Externalisierung von Erwerbsarbeit zu untersuchen. Dies ist eine interaktive auf Vergütung gerichtete Form der Leistungserbringung: Ein Auftrag gebendes Unternehmen („Crowdsourcer“) ruft auf Basis von Web 2.0 eine unbestimmte Anzahl von Partizipierenden („Crowdworker“) dazu auf, einfache, operative und vordefinierte Arbeiten oder aber auch komplexe Kreativ- und Innovationstätigkeiten zu erbringen. Oft werden dabei auch vermittelnde Plattformen (Intermediäre) eingesetzt. Die „Crowdsourcer“ wählen und vergüten die (besten) Ergebnisse oder kumulierten Beiträge und integrieren diese in ihren Wertschöpfungsprozess.
Das Forscherteam versteht diese Entwicklung als eine Verflüssigung der Grenzen der Arbeitsorganisation. Die beidseitigen Flexibilitäts- und Autonomiegewinne stehen in einem wechselseitigen Steigerungsverhältnis. Allerdings rufen sie auf Seiten der Arbeitenden teils alte, teils neue Gefährdungen und Abhängigkeiten hervor und machen auf Seiten der Unternehmen neue Kontroll- und Steuerungsmechanismen erforderlich. Solange die Subjekte diese Arbeit als Erwerbsarbeit und damit zur Existenzsicherung ausüben, sind sie auch in diesen neuen Koordinationsformen der Erwerbsarbeit strukturell unterlegen – sie sind selbstständig unselbstständig.
Da die Polykontexturalität dieser neuen Koordinationsformen der Erwerbsarbeit monodisziplinär nur unzureichend erfasst werden kann, wählt das Wissenschaftlerteam einen interdisziplinären Zugang, welcher Organisationstheorie, Subjektsoziologie und Rechtswissenschaft vereint. Leitfrage für die theoretische Arbeit ist, wie die neuen Formen von Flexibilität/Stabilität und von Autonomie/Kontrolle an traditionelle und/oder alternative Beschreibungs- und Erklärungsmodelle zum Wandel der Erwerbsarbeit beitragen.