Menschliches und göttliches Denken in der Platonischen Tradition
Das Forschungsprojekt behandelt das Problem des Denkens auf der göttlichen und der menschlichen Ebene im Rahmen der antiken Metaphysik.
Im Zentrum des Forschungsinteresses stehen dabei die Philosophie Platons (428-347 v.Chr.) und seine Rezeption, insbesondere durch Vertreter des Neuplatonismus, z. B. Plotin (205-270), Porphyrios (233-305) und Proklos (412-485).
Menschliches Denken ist in der platonischen Tradition mit seinem Gegenpart, dem göttlichen Denken, tief verbunden: Im Begriff von Weltschöpfung bei Plotin ist es der „Logos“, der die Materie ordnet. Die „Allseele“ ist dabei nicht nur das Strukturprinzip des Weltalls, sondern auch der Ursprung der individuellen Seelen. Denken ist – nach Plotin – auf gewisse Weise das Gegenteil dieses Weltordnungsprozesses. In der Weltordnung werden die „logoi“ verkörpert und im Denken müssen sie entmaterialisiert werden. Die (individuelle) Seele kann die Ideen („logoi“) entmaterialisieren, weil die menschliche Vernunft Anteil an der demiurgischen Vernunft hat. Wenn das Ziel des menschlichen Lebens ist, Gott ähnlich zu werden, wie die Platoniker sagen, muss das menschliche Denken so göttlich wie möglich werden; d. h. dass die Menschen das Gute beobachten sollen, genau wie der Demiurg die Idee des Guten betrachtete, als er die Welt schuf. Deshalb ist der Demiurg auch das Modell, nach dem der Mensch seine eigene Seele formen soll.
Menschliches Denken ist in der platonischen Tradition auch durch die enge Verbindung mit der Sprache gekennzeichnet. So sind z. B. Denken und Sprache für Platon in gewissem Sinne gleich. Die Sprache ist nur der Ausdruck von etwas, das in der Seele stattfindet, und kann folglich mit der Metaphysik verbunden werden, insofern das Gesprochene als Symbol des Gedachten betrachtet werden kann und das Gedachte als Abbild der Wirklichkeit. Ähnlich argumentiert Plotin: Wie sich der Geist in die Seele entfaltet, so entfaltet sich auch das Denken in die Sprache, die somit zu einem Spiegel der Gedanken wird. Wenn man spricht, produziert man eine stoffliche Instanziierung der Gedanken, die abhängig ist von der innerseelischen Verbindung mit dem Bereich des Intelligiblen. Es besteht somit im platonischen Denken eine Ähnlichkeit zwischen der Weltschöpfung (durch den göttlichen „Logos“) auf der einen Seite und dem Verhältnis von Denken und Sprache (auf der menschlichen Ebene) auf der anderen Seite.
Im Rahmen des Forschungsvorhabens wird erstens die Beziehung zwischen Denken und Sprache im antiken Platonismus analysiert, danach die Beziehung zwischen Sprache, menschlichem und göttlichem Denken sowie der Weltordnung in der platonischen Tradition genauer erforscht, um zuletzt die Entwicklung der Sprachphilosophie von Platon bis zum Neuplatonismus nachzuzeichnen.