Neuedition und Übersetzung der naturwissenschaftlichen Fragmente des Aristoteles
Die neue Textedition präsentiert nicht nur das vorhandene Quellenmaterial auf der Grundlage der besten aktuell verfügbaren kritischen Editionen, sondern dokumentiert auch die Geschichte seiner Rezeption.
Durch den Einsatz moderner digitaler Textcorpora der antiken und mittelalterlichen griechischen und lateinischen Literatur sowie die systematische Auswertung relevanter Sekundärliteratur wird im Rahmen des Projekts der aktuelle Bestand der Aristoteles zugeschriebenen Fragmente aus verlorenen Texten naturwissenschaftlicher bzw. naturphilosophischer Thematik (unter Ausschluss des Bereichs Biologie) erarbeitet. Soweit die Fragmente von den Quellenautoren bestimmten Werken zugeschrieben wurden, handelt es sich konkret vor allem um Fragmente der verlorenen "Problemata" (physica) sowie der Schriften "De signis" und "De metallis". Hinzu kommen zahlreiche Fragmente, die explizit keinem Schrifttitel zugeordnet werden können, die jedoch thematisch in den genannten Bereich fallen.
Primäres Ziel der Edition ist es nicht, die verlorenen Schriften zu rekonstruieren, im Blickpunkt steht vielmehr die Dokumentation der Rezeption verlorener Schriften, die in der Tradition Aristoteles zugeschrieben wurden. Um dies zu erreichen, werden die Fragmente innerhalb eines thematischen Grundschemas chronologisch angeordnet. Diese Anordnung soll Rezeptionslinien erkennen lassen und dokumentieren, in welchen Zeiträumen bestimmte Aspekte der aristotelischen Naturwissenschaft besonderes Interesse fanden. Dieser Zielsetzung entsprechend ist es nicht primäres Ziel, genuin Aristotelisches von Unaristotelischem zu scheiden, es soll vielmehr dasjenige Material präsentiert werden, das in bestimmten Epochen Aristoteles zugeschrieben wurde. Auf eine Scheidung von Fragmenten und Testimonien wird aufgrund des methodischen Ansatzes verzichtet. In der Praxis werden alle verfügbaren Zeugnisse terminologisch als Fragmente bezeichnet. Diese werden in der Neuedition mit einem eingeschränkten textkritischen Apparat präsentiert. Eine beigegebene deutsche Übersetzung wird die Nutzbarkeit des Werks nicht nur für die Fachdisziplin sicherstellen.
Das Projekt gliedert sich ein in das Großprojekt "Aristotle Beyond the Canon. Texts and Translations" unter der Leitung von Prof. Eckhart Schütrumpf, University of Colorado at Boulder. Unter Beteiligung von namhaften Experten aus Europa und Amerika werden in sechs Bänden sämtliche Fragmente des Aristoteles im Verlag De Gruyter neu herausgegeben. Die Ergebnisse des vorliegenden Projektes werden in Band 4 zusammen mit den biologischen Fragmenten sowie der Schrift "De inundatione Nili" aufgenommen.