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Parlamentarische Sozialisation von Landtagsabgeordneten

Wie verläuft der parlamentarische Sozialisierungsprozess? Und welche Auswirkungen ergeben sich daraus auf die Einstellungen der Abgeordneten im Spannungsfeld von Parlament, Fraktion, Partei und Bürger?

Bereits in den 1950er Jahren sind zu den o.g. Fragen für den US-Senat empirische Untersu­chungen erstellt worden und haben ein ver­gleichsweise striktes Normensystem entdeckt, dem sich Neulinge zu fügen hatten. Für den deutschen Raum sind jedoch bislang keine systematischen Analysen zu dieser Thematik vorgelegt worden.
Aus Sozialisierungsansätzen wird ein dreiphasiger An­passungsprozess von Abgeordneten angenommen: In einer ‚Auftauphase‘ werden unter Anpassungsdruck bisherige Meinungen und Einstellungen in Frage gestellt, während die ‚Wandlungsphase‘ eine Erpro­bung neuer Verhaltensalternativen beinhaltet. In der ‚Gefrierphase‘ schließlich vollzieht sich eine Reinte­gration und Verfestigung neuer und alter Meinungen und Einstellungen. Von Interesse ist nun, durch wen und mit welchen Mechanismen sich die Sozialisation vollzieht. So haben Parlamente bestimmte Systeme und Mechanismen entwickelt, um Neumitglieder for­mell und informell zu integrieren. Hier spielt die Kommunikation und Interaktion mit anderen Abge­ord­neten, die Mitarbeit in Plenum, Fraktionen, Aus­schüs­sen und Gruppen sowie das Angebot besonderer Orientierungsprogramme eine wichtige Rolle; zugleich sind Sanktionsmechanismen am Werk, die in der Verteilung von Posten, im Zugang zu informellen Zir­keln und in der Einbindung von Minderheitenpositio­nen zum Zuge kommen. Zugleich übernehmen Altparlamentarier die Rolle von ‚Sozialisations­agenten‘, indem sie Neulinge in die Regeln und Werte des Parlaments einführen.
Umstritten ist allerdings die Frage der Auswirkungen parlamentarischer Sozialisation im Vergleich zu den Vorprägungen von Abgeordneten, die häufig eine Laufbahn in lokalen oder regionalen, parteiinternen oder öffentlichen Ämtern hinter sich gebracht und dabei bestimmte Einstellungen entwickelt haben.
Aus der Literatur haben Prof. Jens Borchert und Dr. Marion Reiser drei Thesen gewonnen, die sie nun prüfen:

  • die Konvergenzthese, die von einer Angleichung der Einstellungen von neuen Abgeordneten an die Alt­par­lamentarier ausgeht
  • die These von der zunehmenden Konzentration auf parlamentsinterne Vorgänge, die eine zunehmende Introversion bzw. ‚Betriebsblindheit‘ von Abgeord­neten erwartet
  • die These von der zunehmenden De-Radikalisie­rung, die von einem leichten Trend zum Konserva­tismus ausgeht

Die Umsetzung erfolgt anhand einer vergleichenden qualitativen Panel-Studie mit drei Befragungswellen aller Par­lamentarier, die 2010 und 2011 neu in die Landtage von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg eingezogen sind.

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