Funding Funded Projects Regierungskonstellationen und die Politisierung der Ministerialbürokratie

Regierungskonstellationen und die Politisierung der Ministerialbürokratie

Welche Effekte haben veränderte Regierungsbildungen auf das Verhältnis von Politikern und Bürokraten an der Spitze der Ministerien?

Die Politisierung der Ministerialbürokratie wird in der öffentlichen Debatte in der Regel kritisch kommentiert. Befürchtet wird, dass Parteipatronage die Kompetenz und fachliche Expertise der Ministerialbürokratie unterminiert, schlechter ausgearbeitete politische Programme und Gesetze fördert und damit nicht nur zu Kompetenzproblemen, sondern auch zu Legitimations- und Effizienzproblemen führt. Gleichzeitig besitzt die Besetzung von Leitungspositionen in den Ministerien mit „politischen Beamten“, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können und bei deren Auswahl parteipolitische Nähe ein legitimes Kriterium ist, in Deutschland eine lange Tradition.
Während politische Beamte in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend aus der Beamtenschaft rekrutiert wurden, ist in jüngster Zeit zu beobachten, dass zum einen verstärkt Seiteneinsteiger in Spitzenpositionen der Ministerien gelangen und zum anderen insbesondere auf Landesebene Mischkarrieren in Politik und Verwaltung an Bedeutung gewinnen. Weitgehend unerforscht ist, wie stark die Parteibindung der Spitzenbeamten auf Landesebene ist und inwiefern sie politisch-professionelle Kompetenzen mitbringen, die klassischen Laufbahnbeamten möglicherweise fehlen. Hier setzt das Forschungsprojekt an, indem es Politisierungstendenzen in den Ministerialverwaltungen der deutschen Bundesländer differenziert erfasst und deren Ursachen untersucht.
Zwei Formen der Politisierung stehen im Zentrum des Projektes: die Parteipolitisierung, d. h. die Bedeutung von Parteibindungen für Rekrutierungs- und Beförderungspraktiken in der Ministerialverwaltung und die Hybridisierung, d. h. die Bedeutung gemeinsamer Formen der Professionalisierung von Politikern und Bürokraten. Letzteres kann sich in Mischkarrieren zwischen Politik und Verwaltung, in der Rekrutierung von Regierungspolitikern aus der Gruppe der Spitzenbeamten (oder umgekehrt) und in ähnlichen Stufen des Kompetenzerwerbs und der Netzwerkbildung niederschlagen. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Frage gelegt, welche Personen in die höchsten Beamtenpositionen in Ministerien gelangen, nehmen Spitzenbeamte doch durch ihre herausgehobene Position eine Schlüsselstellung in der Ministerialverwaltung ein.
Das analytische Erkenntnisinteresse richtet sich insbesondere auf die Auswirkungen von Veränderungen im Parteiensystem und der Entwicklung neuer Regierungsbündnisse auf Politisierungs- und Hybridisierungstendenzen. So sind die Parteiensysteme der Länder spätestens seit den 2000er Jahren zunehmend pluralistischer geworden. Außerdem ist der Anteil „Großer Koalitionen“ in den letzten zehn Jahren stark gestiegen. Prof. Veit und Prof. Jann argumentieren, dass diese Entwicklung einerseits zu einer abnehmenden Relevanz der parteipolitischen Bindung von Beamten für deren Rekrutierung in ein Spitzenamt führen. Anderseits sprechen Indizien dafür, dass die Bedeutung professioneller Erfahrung im politischen Sektor oder in politiknahen Positionen der Verwaltung zunimmt. Letzteres ist ein Indikator für eine wachsende Hybridisierung der politischen und administrativen Elite in den deutschen Bundesländern.
Ziel des Projektes ist es, neue Erkenntnisse über die Effekte veränderter Regierungsbildungen auf das Verhältnis von Politikern und Bürokraten an der Spitze der Ministerien zu gewinnen. Dazu werden verwaltungswissenschaftliche Konzepte zur Parteipolitisierung der Bürokratie sowie Hybridisierung der Politik und Verwaltung erstmals interdisziplinär mit politikwissenschaftlichen Parteisystemansätzen und der ökonomischen Theorie des „Job Market Signalling“ in einem nicht-reaktiven Forschungsdesign verbunden. Durch die Erhebung von Daten zu Karrieremustern von Spitzenbeamten werden Hybridisierungstendenzen, karrierebezogene Parteibindungen, Rekrutierungsmuster und Unterschiede zwischen den Bundesländern, Bund und Ländern und zwischen Ressorts untersucht.

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