Das Projekt stellt sich das Ziel, die Transformationen der Figur des Räuberhauptmanns erstmals sowohl in ihrer medialen Komplexität als auch in diachroner Perspektive integrativ zu behandeln. Damit soll ein Beitrag zur Erforschung der Erinnerungskultur Ostmitteleuropas geleistet werden.

Der historische Juraj Jánošík lebte von 1688-1713 im Gebiet der heutigen Euroregion „Tatry“, dem Dreiländereck zwischen Polen, Tschechien und der Slowakei. Das Territorium war nie in eine Provinz oder einen Staat integriert, und es ist bis heute eine Grenzre­gion. Bevor er als Räuber „den Reichen nahm und den Armen gab“, wie die Legende behauptet, war Jánošík in die antihabsbur­gischen Aufstände ungarischer Adeliger involviert, 1713 wurde er hingerichtet. Die Überlieferung modellierte ihn bald als „Rural Outlaw“, der zwar geltendes Recht verletzt hatte und damit an die Peripherie der Gesellschaft abglitt, andererseits aber das geltende als „ungerechtes“ Recht geißelte, praktiziertes Unrecht sühnte und dadurch ins Zentrum sich neu her­auskristallisierender, bisweilen subversiver Werte-Ge­meinschaften rücken konnte. Im 19. und 20. Jahrhundert schufen Künstler Repräsen­tationen Jánošíks und griffen dabei immer wieder auf das subversive Potential der Figur zurück

Das Forschungsvorhaben geht von der Hypothese aus, dass der Topos Juraj Jánošík auch deswegen so vital ist, weil er immer wieder neu erfunden, transfor­miert und an neue Verhältnisse angepasst wurde. Die zentrale Aufgabe der Forschungsarbeit besteht deshalb darin, ähnlich wie in einer Motivgeschichte einen reprä­sentativen Überblick über die wichtigsten Entwicklungs­etappen in der Modellierung dieser Figur herauszuarbeiten und sie zu den sich jeweils findenden politischen Machtver­hältnissen in Bezug zu setzen. Dabei spielen drei Aspekte eine besondere Rolle: die Konstruktion der Tatra-Region als periphere Geschichtsregion, die ambi­valente Typologie des Räubers bzw. Outlaws und die Subversivität dieses Figurentypus.