Singularisierung – Sodalisierung. Poetische Selbstautorisierung in der italienischen und französischen Literatur der Frühen Neuzeit
Ausgehend vom Beispiel des Petrarca (1340-1374) werden im Rahmen dieses Projekts Strategien poetischer Selbstinszenierung und Selbstautorisierung von Literaten des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts untersucht.
Die bisherige Forschung geht davon aus, dass in der programmatischen ‚imitatio veterum‘ des Renaissancehumanismus die Anciennität – d. h. die Überlieferung eines Autors aus der Antike – das zentrale Geltungsargument für seine Autorität und Vorbildhaftigkeit darstellt. Demgegenüber soll in diesem Projekt gezeigt werden, dass und wie Autoren – maßgeblich seit Petrarca – sich ihrerseits als Vorbild für eine solche ‚imitatio‘ etablierten: wie sie ihr Werk zwar im Rückbezug auf antike Autoritäten legitimierten, aber dabei v. a. ihre eigene Nachwirkung im Blick hatten.
Als erster Schritt soll gezeigt werden, wie Petrarca für seine Selbstautorisierung zwei gegenstrebige, aber funktional komplementäre Strategien oder Dispositive einsetzte: Singularisierung und Sodalisierung. Sie finden sich auf verschiedene Textsorten verteilt: In seiner Dichtung stilisierte sich Petrarca als singulärer Erneuerer der Dichtkunst. In seinen Briefen dagegen konturierte er sich zwar auch als Träger einer markanten (vormodernen) Individualität, aber insbesondere als Teil einer Kulturgemeinschaft, die von der Antike bis in seine Gegenwart hineinreicht. Diese wird entworfen in der doppelten Bezugnahme auf eine ihm zeitgenössische kulturelle Wertegemeinschaft, die durch die Adressaten seiner Briefe (Giovanni Colonna, Robert von Anjou, Giovanni Boccaccio, u.v.a.) verkörpert wird, und auf antike Autoren als Geistes-verwandte (Socrates, Seneca, Vergil, Horaz, Cicero etc.). Die Strategien der Singularisierung und der Sodalisierung treten dabei bei Petrarca nicht voraussetzungslos auf; vielmehr gilt es, mit vergleichendem Blick auf antike Autoren und insbesondere auf Dante Homologien wie v. a. die petrarkaspezifische Innovation dieser Dispositive herauszuarbeiten.
In einem nächsten Schritt sollen dann solche Verfahren der Selbstautorisierung exemplarisch in der Literatur des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts beobachtet werden, und zwar – als privilegiertes Untersuchungsfeld – im Panorama des Petrarkismus. Aus der italienischen Literatur sollen die beiden großen Opponenten Pietro Bembo (1470-1547) und Pietro Aretino (1492-1556) besonders betrachtet werden, für Frankreich Joachim Du Bellay (1522-1560), Pierre de Ronsard (1524-1585) und Louise Labé (1524-1566). Jeweils soll gezeigt werden, wie die von Petrarca eingeführten Dispositive für eine wirkungsvolle Selbstautorisierung komplementär genutzt wurden und zu welchen unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und Varianten es dabei kam.
Es ist geplant, die Projektergebnisse in Form einer Monographie zu veröffentlichen.