Studien zur Entstehungsgeschichte und zur Darstellungsintention des Genter Altares
Der Flügelaltar befindet sich in der Genter St.-Bavo-Kathedrale. Er wurde von Jan van Eyck und möglicherweise dessen Bruder Hubert van Eyck geschaffen und befindet sich nachweislich seit 1433 in Gent.
Autorenschaft und Auftraggeber, Datum der Vollendung und Bestimmungsort bilden seit mehr als 150 Jahren den Gegenstand kunsthistorischer Debatten betreffend die nur fragmentarisch rekonstruierbare Entstehungsgeschichte des Genter Polyptychon. Ebenso umstritten sind formale Stimmigkeit und ikonographische Kohärenz des Gebildes, das immer wieder als ein Pasticcio abgetan wird. Die höchst verwickelte 'Problemhydra' (O. Pächt) wissenschaftlicher Recherche hat divergierende Lösungsvorschläge gezeitigt, deren argumentative Valenz zu überprüfen ist. Mit Rekurs auf vorgängig thematisierte, in letzter Zeit eher marginalisierte Teilaspekte der Diskussion, vertieft durch soziokulturelle Analysen und in Kontextualisierung mit zeitgeschichtlich markanten Horizonten wird hier ein Neuansatz gewagt, in dessen Rahmen die Praxis kommunaler Selbstdarstellung als erschließendes Kriterium fungieren soll.
Dr. Augath geht davon aus, dass der Stadtrat das monumentale Werk vor dem Hintergrund kommunaler Repräsentation in Auftrag gegeben hat und dass Jodocus Vijdt das begonnene Retabel in seiner Eigenschaft als Ratsherr und Bürgermeister auf eigene Kosten vollenden ließ. Für diese Vermutung spricht auch die monumentale Größe des Werkes, die weder mit den Dimensionen der oberen noch der unteren Vijdt-Kapelle, wohl aber mit der prominenten Aufstellung im Kirchenschiff harmoniert.
Es geht in der Studie u. a. darum, bislang übersehene ikonographische Besonderheiten herauszuarbeiten. Ausgehend von den beiden grundlegenden Studien, die Paul Post (1921/1952) dem inneren linken Seitenflügel (inschriftlich als „iusti iudices“ bezeichnet) gewidmet hat, schlägt Dr. Augath eine neue Deutung für den in der Forschung als Haupträtsel des Altarwerks bezeichneten „Iudices-Flügel“ vor. Dabei sollen die auffallenden Parallelen zur politischen Wirklichkeit herausgearbeitet werden. Zudem möchte Dr. Augath prüfen, ob der Flügel mit den „iusti iudices“ möglicherweise die gemalte Serie der Flanderngrafen, Traditionsbestand des Genter Rathauses, komplettieren oder ersetzen sollte.