Varianten und Dynamiken der Politikverflechtung im deutschen Bundesstaat
Ziel des Projekts ist es, zu einem besseren Verständnis der Funktionsweise des kooperativen Föderalismus zu gelangen.
Die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland zwingt Bund und Länder in wichtigen Bereichen der Gesetzgebung und der Verwaltung zur Kooperation mit dem Ziel einer gemeinsamen Entscheidung. Das Ziel der Föderalismusreform, diese Zwänge abzubauen wurde nur in begrenztem Umfang erreicht; nach wie vor prägt die sogenannte Politikverflechtung das Regierungssystem.
Die Theorie der Politikverflechtung, die in Arbeiten von Fritz W. Scharpf und Gerhard Lehmbruch formuliert wurde, erklärt die Wirkungen der besonderen institutionellen Bedingungen auf das Regieren im kooperativen Bundesstaat. Auf der einen Seite bewirken diese Bedingungen, dass die Verhandlungspartner ihre eigenen Interessen verfolgen und der Modus des bargaining dominiert. Unter dem Einfluss des Parteienwettbewerbs und der Tatsache, dass die Regierung sich häufig von einer von den Oppositionsparteien kontrollierten Mehrheit von Landesregierungen gegenübersieht, tendiert das interessenorientierte Verhandeln oft zu einer Konfrontation, die eine Einigung erheblich erschwert. Dennoch kommt es selten zu Politikblockaden, da Regierungen nicht nur dem institutionellen Zwang, sondern auch dem politischen Druck zur Einigung unterliegen. Eine Blockade wird von der Wählerschaft als Handlungsunfähigkeit wahrgenommen, die letztlich allen Beteiligten zugeschrieben wird. Ein Scheitern der Verhandlungen ist daher für alle Verhandlungspartner unattraktiv.
Prof. Arthur Benz bewertet die Theorie der Politikverflechtung als wesentliches, aber in seiner Komplexität und Differenzierungsfähigkeit selten angemessen gewürdigtes Referenzmodell der Forschung zum deutschen Regierungssystem und zum deutschen Föderalismus. Sieht man von der Diskussion über die Rolle von Parteien und von der durch Prof. Arthur Benz entwickelten alternativen Theorie des dynamischen Föderalismus ab, wurde die Theorie vielfach kritisiert und auf ihre Blockadethese verkürzt, aber nicht maßgeblich weiterentwickelt; Ansätze dazu finden sich lediglich in Arbeiten zum Policy-Making in der EU, während systematische, die besonderen Bedingungen von Politikfeldern oder die zwischenzeitlich veränderten Rahmenbedingungen erfassende Analysen nach dem Vorbild der Scharpfschen Studien bisher fehlen.
An dieser Lücke der Föderalismusforschung setzt Prof. Arthur Benz an und wiederholt die Analyse der Politikverflechtung, die von der Arbeitsgruppe um Fritz W. Scharpf in den frühen 1970er Jahren durchgeführt wurde, für ausgewählte Aufgabenbereiche. Dabei dient das theoretisch-analytische „Modell“ der Politikverflechtung als Ausgangspunkt, wird aber insofern erweitert, als neue Bedingungen und Variationen zwischen Politikfeldern berücksichtigt werden. Ziel ist es, zu einem besseren Verständnis der Funktionsweise des kooperativen Föderalismus zu gelangen. Zudem wird untersucht, inwieweit Reformen des Föderalismus die Praxis des Regierens im kooperativen Bundesstaat verändert haben.