Funding Funded Projects Von der Landschaft zu ‚reinem‘ Raum, Modell und System. Ein Beitrag zu einer Wissenschaftsgeschichte der Quantitativen Revolution in der deutschsprachigen Geographie

Von der Landschaft zu ‚reinem‘ Raum, Modell und System. Ein Beitrag zu einer Wissenschaftsgeschichte der Quantitativen Revolution in der deutschsprachigen Geographie

Die Quantitative Revolution markiert als Bruch mit der länderkundlichen Geographie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein zentrales Moment der Geographie des 20. Jahrhunderts mit weitreichenden Implikationen für deren heutige Verfasstheit.

Mit der Quantitativen Revolution schließt die Geographie erstmals seit dem 19. Jahrhundert wieder an dominierende wissenschaftstheoretische Strömungen an und versucht sich neu im Feld der Wissenschaften zu verorten. Dem eigenen Anspruch nach wurde Geographie erst mit der Quantitativen Revolution, mit kritischem Rationalismus oder logischem Positivismus, mit Mathematisierung und Theorieprimat, mit Modellen und Raumgesetzen zu einer „modernen“ und „anwendungsorientierten“ Wissenschaft. Damit reicht diese quantitativ-theoretische Wende in der Geographie weit über eine reine Quantifizierung der Methodik hinaus. Vielmehr markiert sie einen entscheidenden Wandel der Disziplin, der grundlegend für alle folgenden und gegenwärtigen Ansätze ist.

Das Vorhaben schließt an internationale Forschungsprojekte an und versucht dabei, sowohl die Spezifik der Entwicklungen in der deutschsprachigen Geographie als auch die Verbindungen zur internationalen Debatte herauszuarbeiten. Dies geschieht in zwei kontrastierenden Fallstudien:

Die erste Fallstudie beschäftigt sich mit Walter Christaller, der zu den einflussreichsten Geographen des 20. Jahrhunderts zählt, aber nie ins paradigmengeschichtliche Zentrum gerückt wurde. Die bisherige Forschung zu Christaller wird dominiert von Beiträgen zu seiner aktiven Rolle für die nationalsozialistische Raumplanung und den Generalplan Ost sowie einer stark anwendungsorientierten Lesart der „Theorie der zentralen Orte“. Im Rahmen des Gesamtprojektes nimmt diese Studie die Funktion ein, einen Zeitpunkt in den Blick zu nehmen, bevor quantitativ-theoretisches Denken Teil des geographischen Diskurses wurde. Damit Christallers Beitrag für die Geographie verständlich und sinnvoll werden konnte, war eine Reihe von neuen Allianzen zwischen wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Akteuren vonnöten. Dies herauszuarbeiten ist Ziel der Fallstudie.

Die zweite Fallstudie nimmt die durch einen Import der Quantitativen Revolution aus der englischsprachigen Geographie initiierte Phase der Etablierung und Hegemonialisierung theoretisch-quantitativen Denkens in der deutschsprachigen Geographie der späten 1960er Jahre in den Blick. Den Ausgangspunkt bilden dabei die in der disziplinären Selbstbeschreibung als zentral artikulierten Momente des Kieler Geographentages 1969 sowie der Veröffentlichung von Dietrich Bartels Habilitationsschrift von 1968 („Zur wissenschaftstheoretischen Grundlegung einer Geographie des Menschen“). Dabei geht es darum, diese Ereignisse stärker, als dies bisher erfolgt ist, als Ausdruck weitreichender Transformationen geographischen Denkens zu begreifen und nicht allein ideengeschichtlich zu lesen.

Dr. Michel möchte dazu beitragen, aktuelle Debatten der Geographie um eine neue Quantitative Revolution im Zuge von „big data“ und „geoweb“, aber auch von aktueller Raumordnungspolitik und Geomarketing historisch zu fundieren und der Kritik an der quantitativ-theoretischen Raumwissenschaft von Seiten jüngerer Ansätze der Kulturgeographie entgegenzutreten.

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