Werkgenese im venezianischen Quattrocento. Die Malerwerkstätten der Vivarini
In den Vivarini-Werkstätten wurden hauptsächlich mehrteilige Altarbilder in prunkvollen, vergoldeten hölzernen Rahmen angefertigt, die ihre Abnehmer außer in Venedig in den Städten hatten, die unter venezianischer Herrschaft standen.
Ziel ist es, eine neue Perspektive auf die zahlreichen, in zwei Generationen für Venedig, Nord-, Mittel- und Süditalien sowie für die istrisch-dalmatische Küste entstandenen Werke zu eröffnen und für die kunstwissenschaftliche Forschung fruchtbar zu machen. Ausgangspunkt der Studie sind Vorarbeiten von Dr. Müller, die mit Giovanni d’Alemagna und der Künstlerfamilie Vivarini (Antonio, Bartolomeo und Alvise) die wichtigsten Werkstätten für Altarwerke im venezianischen Quattrocento in den Blick nehmen und die Produktionsbedingungen aus historischer, kunstsoziologischer und materialtechnologischer Perspektive im Kontext des nordalpin-venezianischen Kulturtransfers untersuchen.
Da bislang keine Analyse von Unterzeichnungen vorliegt, die mehrere Werke der Vivarini gleichermaßen einbeziehen, und in der Forschung bislang auch kein Versuch unternommen wurde, das zeichnerische Vor-gehen und den maltechnischen Prozess in der Werkstatt ausführlich zu untersuchen, geht es in der Studie zunächst darum, rund fünfzehn, meist mehrteilige Werke mit Hilfe der Infrarotkamera zu „durchleuchten“. Durch die sichtbar gemachten Unterzeichnungen, die überarbeitete Linien und Korrekturen im Prozess der Bildfindung bis in die Pinselschrift hinein erkennbar machen, sollen die Wege des Sehens und Suchens, Probleme der Formgebung und die gewählten Bildlösungen nachvollziehbar gemacht werden. Lässt sich ein standardisiertes Vorgehen nachweisen und damit die seriell anmutende Malerei einiger Altarbilder erklären? Können Unterschiede in der Unterzeichnung in Abhängigkeit zum Prestige des Auftrags, zur Bildaufgabe oder zur Ikonographie festgestellt werden? Wie und von wie vielen Malern wurden Bildkonzepte entwickelt, welche Materialien und welche Techniken wurden verwendet und in welchem Verhältnis steht die Unterzeichnung zum gemalten Bild bzw. zu anderen Bildern der Werkstatt? Anzeichen einer mechanischen Übertragung mittels gelöcherter Kartons oder durchgedrückter Zeichnungen erhalten besondere Aussagekraft im Zusammenhang mit der Aufteilung bestimmter Werkanteile und der Werkstattorganisation.