Wissen, was man denkt und tut: Ein wahrnehmungsbasierter Ansatz
Thema des Projektes ist das besondere Selbstwissen, das Menschen von der aktiven Seite ihres Selbst besitzen.
Zu dieser aktiven Seite zählen zum einen mentale Phänomene, die selbst Handlungscharakter haben (gegenwärtige „aktive okkurrente Gedanken“ wie z. B. Urteile, Entscheidungen, Überlegungen) oder die Teil unserer rationalen Aktivität sind (gegenwärtige Überzeugungen, Absichten und weitere „rationale Einstellungen“). Zum anderen gehören hierzu auch die gegenwärtigen „intentionalen körperlichen Handlungen“.
Diesen Phänomenen ist gemeinsam, dass sie nicht unabhängig von unserem Zugang zu ihnen existieren; vielmehr bringen wir diese Phänomene in der einen oder anderen Weise durch unsere eigene bewusste Aktivität selbst hervor. Das scheint zur Folge zu haben, dass wir normalerweise ein besonders zuverlässiges, unmittelbares und spezifisch „erstpersonales“ Wissen von ihnen besitzen. Wüssten wir oft nicht, was wir absichtlich tun, denken, glauben und beabsichtigen, so wäre unsere Aktivität nicht rational, sondern blind. Und müssten wir uns selbst beim Handeln und Denken beobachten und (wie im Falle anderer Personen) auf Grund von Indizien „erschließen“, was unsere Gedanken, Überzeugungen und Absichten sind, dann würden wir uns gegenüber unserer eigenen Aktivität wie distanzierte Beobachter verhalten, nicht wie Akteure. Dies wirft die Frage auf, wie das besondere Selbstwissen, das wir von Phänomenen unserer eigenen Aktivität – von rationalen Einstellungen, okkurenten aktiven Gedanken und intentionalen körperlichen Handlungen – zu besitzen scheinen, erklärt werden kann.
Ziel dieses Projektes ist es, eine Lösung zu formulieren, die den Gedanken eines „wahrnehmungs“-basierten Zugangs sowohl zu unseren eigenen aktiven mentalen Phänomenen als auch zu unseren eigenen intentionalen körperlichen Handlungen so weiterentwickelt, dass er mit einer genuinen „Akteurs“-Perspektive vereinbar ist.
Als Paradigma dient hier die Rolle, die Wahrnehmung für intentionales körperliches Handeln spielt. Es wird argumentiert, dass die Wahrnehmung eigener intentionaler körperlicher Handlungen im Normalfall „praktisch“ gefärbt und spezifisch „erstpersonal“ ist. Eine derartige Wahrnehmung konfligiert – nach der Meinung Dr. Knappiks – nicht mit der Perspektive als rationale Akteure, sondern gehört wesentlich zu ihr. Wenn Wahrnehmung in Handlungskontexten so verstanden wird, kann sie daher nicht nur den epistemischen Zugang erklären, den wir zu unseren intentionalen körperlichen Handlungen besitzen. Sie kann auch als Modell dafür dienen, wie Introspektion als wahrnehmungsartiger Zugang zu unseren Gedanken und rationalen Einstellungen gedeutet werden kann, ohne dass dies der Tatsache Abbruch tut, dass wir uns zu diesen mentalen Phänomenen als Akteure verhalten. In Analogie zur „praktischen“, „erstpersonalen“ Wahrnehmung von körperlichen Handlungen wird solche Introspektion als komplexes Bewusstsein von mentalen Zuständen verstanden, das die unbewusste Interpretation quasi-sensorischer phänomenaler Episoden wie z. B. bildhafter Vorstellungen oder inneren Sprechens voraussetzt. Wie gezeigt werden soll, können die „erstpersonalen“ Besonderheiten, die sich an der Wahrnehmung von eigenen intentionalen körperlichen Handlungen nachweisen lassen, auch in Bezug auf so verstandene Introspektion beschrieben werden. Daraus resultiert – Dr. Knappik zufolge – ein einheitlicher Erklärungsansatz für die Epistemologie unserer rationalen Aktivität, der eine Erklärung für unseren epistemischen Zugang zu den fraglichen Phänomenen verspricht und auch an kognitions-wissenschaftliche Befunde anschließen kann, aber dennoch unserem Selbstverständnis als rationale Akteure Rechnung zu tragen vermag.